Diabetes mellitus - Tierarztpraxis am Turm

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Diabetes mellitus
Diabetes mellitus

Die „Zuckerkrankheit" bekommt ein extra Kapitel auf unserer Internetseite, weil sie immer häufiger auch bei unseren Haustieren auftritt  und ein Thema ist, das viele Missverständnisse mit sich bringt.

„Diabetes mellitus" (griechisch) bedeutet „Honigsüßer Durchfluss" und meint, dass mit der Nahrung aufgenommene Zucker (richtiger: Kohlenhydrate) vom Körper nicht verwertet werden können. Grund dafür ist oft ein Mangel an „Insulin", dem Hormon, das für die Zuckerverwertung zuständig ist. Es wird  in der Bauchspeicheldrüse hergestellt. Es kommt aber auch vor, dass der Körper Insulin aus verschiedenen Gründen nicht nutzen kann (Insulinresistenz).

Die genaue Ursache dieser Erkrankung ist schwer zu bestimmen. Fachleute sind der Meinung, dass Umwelteinflüsse eine wichtige Rolle spielen, aber auch genetische Veranlagung, eine Bauchspeichelentzündung, Autoimmun- und andere Erkrankungen sowie falsche Ernährung können Auslöser sein. Zudem ist erwiesen, dass übergewichtige Tiere häufiger erkranken als schlanke.

Diabetes mellitus kann verschiedene, teils lebensgefährliche Folgen haben, die wir später genauer erklären. Dazu gehören der Zuckerschock, die Unterzuckerung, Nieren- und Blasenerkrankungen und eine Blutübersäuerung (Ketoazidose/Ketose).

Doch meistens ist die Krankheit auch bei unseren Haustieren gut behandelbar. Dabei stellt die Erkrankung an Katzenbesitzer meist höhere Anforderungen als an Hundebesitzer. Die Behandlung erfordert vor allen von Katzenbesitzern etwas Mut und viel Geduld, bis das Tier am Ende auf eine korrekte Ernährung sowie ein von außen zugeführtes Insulin eingestellt ist.

Ein gut eingestelltes Tier kann genauso alt werden wie ein gesundes! Und nicht selten erreicht ein gut behandelter Diabetes-Patient ein Stadium, in dem er keine Insulininjektionen mehr braucht (Remission).


Wie erkenne ich Diabetes?

Die Besitzer eines an Diabetes erkrankten Tiers bemerken in der Regel als erstes, dass ihr Tier übermäßig viel trinkt und Urin absetzt. Aber auch andere Zeichen können auf eine Erkrankung hinweisen. Die wichtigsten Symptome sind:

     - Übermäßiges Trinken und häufiges Absetzen großer Urinmengen
     - Übermäßiger Hunger bei gleichzeitiger Gewichtsabnahme (zunächst kann aber auch eine schnelle Gewichtszunahme passieren)
     - Mit der Zeit werden Muskeln abgebaut
     - Das Fell ist oft stumpf und schuppig

Das vermehrte Trinken liegt daran, dass der Körper versucht, den überschüssigen Zucker im Blut über die Nieren auszuscheiden. Da die Nieren aber eigentlich so gebaut sind, dass Zucker eben nicht mit dem Urin ausgeschieden wird, müssen die Nieren mit viel Flüssigkeit „gespült" werden, um den Zucker loszuwerden. Leider kann der Körper nicht genug Zucker über die Niere ausscheiden, um den Zuckerspiegel ausreichend zu senken.

Die Gewichtsabnahme rührt natürlich daher, dass dem Körper ohne den Zucker aus der Nahrung Energie für die Eigenversorgung fehlt. Denn Zuckerverbrennung dient vorwiegend der Energiegewinnung. Die Muskeln werden aus dem gleichen Grund abgebaut: Um den Energiemangel auszugleichen greift der Stoffwechsel auf körpereigene Fette und Proteine (Eiweiße, aus dem Muskel) zurück, um eben daraus seine Energie zu gewinnen.
Damit entgleist der komplette Stoffwechsel, was sich ja gerne in der Fellbeschaffenheit der Tiere zeigt.

Wie stellt mein Tierarzt fest, dass mein Tier an Diabetes hat ?

Natürlich gibt es noch andere Erkrankungen, die ein oder mehrere der Symptome haben, die auch bei Diabetes auftreten. Deshalb wird Ihr Tierarzt Blut abnehmen und ins Labor schicken. Dort werden dann unter anderem die „Fructosamine" bestimmt. Das sind Eiweiße, an die überschüssiger Zucker gebunden wird. Da diese Verbindung recht stabil ist, also nicht ständig auf- und abgebaut werden, nennt man die Fructosamine auch das „Blutzucker-Gedächtnis", denn sie repräsentieren den mittleren Blutzucker-Gehalt der letzten drei Wochen. Ist dieser zu hoch, kann man davon ausgehen, dass Ihr Tier an Diabetes mellitus erkrankt ist.

Der momentane Blutzucker-Wert allein hingegen, den Ihr Tierarzt wahrscheinlich auch messen wird, gibt keine klare Auskunft über eine Diabetes-Erkrankung, denn allein der Stress, beim Tierarzt zu sein, kann den Blutzuckerspiegel über den Normwert in die Höhe treiben.
Euthanasie oder Behandlung?

Rechtzeitig erkannt ist eine Diabetes-Erkrankung bei unseren Haustieren wie beim Menschen in der Regel gut behandelbar. Leider gibt es auch Ausnahmen: Es gibt (zum Glück selten) Erkrankungen, die zu einem Diabetes mellitus führen, aber ein Einstellen auf ein Insulin stark erschweren oder sogar unmöglich machen. In solchen Fällen gibt es nur sehr eingeschränkte oder auch keine Möglichkeiten, dem Tier ein beschwerdefreies Leben zu ermöglichen. Diese Fälle können dann zur Folge haben, dass eine Euthanasie auf Dauer nicht zu vermeiden ist.

Ist der Diabetes aber behandelbar, muss sich der Besitzer im Klaren sein, dass auf ihn und sein Tier Belastungen zukommen. Zudem verursacht die Behandlung auch nicht unerhebliche Kosten.
Die Grundsäulen der Diabetes-Behandlung sind eine speziell abgestimmte Diät, bei Hunden feste Futterzeiten zwei Mal täglich sowie – ebenfalls zwei Mal täglich – das Spritzen von Insulin. Hinzu kommt bei übergewichtigen Tieren eine vorsichtige Gewichtabnahme, also v.a. mehr Bewegung.

Am meisten schreckt die Tierbesitzer oft das Wissen, dass sie ihrem Tier Blut abnehmen und es spritzen müssen. Doch eine effektive Diabetes-Behandlung ist ohne Insulin-Spritzen nicht durchzuführen. Es gibt zwar auch Tabletten, die beim Menschen eingesetzt werden, um den Blutzuckerspiegel niedrig zu halten. Diese haben sich bei unseren Haustieren aber als recht unwirksam erwiesen. Auch eine Diät alleine hilft nur in seltensten und dann auch nur sehr milden Fällen von Diabetes mellitus.

Doch um den Spritzen den Schrecken zu nehmen: Das abnehmen des kleinen Blutstropfen aus dem Ohr wird schnell zur Routine. Und die Nadeln der speziellen Insulinspritzen sind so dünn und kurz, dass der kleine Piks nur der Besitzerseele Schmerz zufügt. Unsere Tiere merken ihn meist gar nicht. Auch ist der Umgang mit der richtigen Insulindosis recht einfach, weil die Skala auf diesen Spritzen sehr genau ist. In der Regel haben sich Besitzer und Tier ganz schnell an das ganze Prozedere gewöhnt.

Also: Ran an die Spritzen!
Blutzuckerspiegel messen – zu Hause oder beim Tierarzt?

Bis das Tier auf die richtige Insulindosis eingestellt ist, dauert es schon mal oft ein paar Wochen. In dieser Zeit muss vor allem bei Katzen der Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrolliert werden (Monitoring). Optimal ist anfangs eine Messung alle zwei Stunden, um festzustellen, wann das Insulin seine stärkste Wirkung hat (Zeitpunkt des niedrigsten Zuckerspiegels oder „Nadir"). Auch der sogenannte Ketonkörper-Spiegel sollte regelmäßig kontrolliert werden. Lesen sie dazu das spezielle Kapitel "Ketose". Bei Hunden ist solch ein engmaschiges Monitoring meist nicht nötig.

Einige Tierärzte bestellen Sie zum Blutzuckerspiegel Messen regelmäßig in die Praxis ein. Das hat durchaus Vorteile:
  • der Besitzer muss anfangs „nur" das Insulin spritzen – was schon Stress genug ist.
  • anfangs ist die Mess-Sicherheit beim Tierarzt aufgrund seiner Erfahrung höher.
  • es gibt Menschen, die schlicht kein Blut sehen können oder es niemals übers Herz bringen, ihrem Tier täglich mehrfach ins Ohr zu stechen.

In unserer Praxis aber ziehen wir ein „Hometesting" vor. Hierbei messen die Tierbesitzer den Blutzuckerspiegel am Ohr des Tieres selbst zu Hause. Das hat ebenfalls Vorteile:
  • die Kosten werden geringer gehalten, denn jeder Tierarztbesuch kostet Geld.
  • der Blutzuckerspiegel steigt wie gesagt unter Stress (z.B. beim Tierarztbesuch), damit ist der zu Hause gemessene Wert korrekter.
  • der Tierarzt misst vielleicht zwei Mal täglich, was für ein sinnvolle Monitoring bei Katzen keinesfalls ausreicht.

Wir stellen Ihnen für die ersten Tage ein Blutzuckermessgerät zur Verfügung und beraten Sie gern beim Kauf des richtigen Geräts.

Ist das Tier erst einmal korrekt eingestellt, reicht es in der Regel, den Blutzuckerwert zweimal täglich zu messen (das ist jedoch nach Tier, Tierart und Art der Erkrankung verschieden). Das ist v.a. deshalb wichtig, weil sich manchmal die Insulindosis, die ein Tier braucht, verändert. Es kommt sogar häufiger vor, dass die Diabetes-Erkrankung sich schrittweise verbessert, bis Ihr Tier vielleicht sogar gar kein Insulin mehr braucht. Das nennt man Remission und kommt bei Katzen recht häufig vor (z.B. wenn übergewichtige Tiere ihr Idealgewicht wieder haben oder eine evtl. Bauchspeicheldrüsenentzüdung abgeklungen ist). Zudem sollte in größeren Abständen durch den Tierarzt der Fructosamin-Wert bestimmt werden, um eine Übersicht über den gesamten Blutzuckerspiegel zu behalten. Auch eine regelmäßige Kontrolle der Nierefunktion raten wir an, da dieses Organ durch den hin und wieder dennoch auftretenden Blutzuckerspiegel weiterhin stark belastet sein können.
Komplikationen in Folge einer Diabetes-Erkrankung

Leider können auch Komplikationen auftreten, wenn Ihr Tier optimal auf sein Insulin eingestellt ist. Die wichtigsten seien hier in Kürze angerissen.

Grundsätzlich gilt jedoch: Sobald Ihr Tier sich auffällig verhält, sich etwas ändert oder Sie sich Sorgen machen, sollten Sie sich an Ihren Tierarzt  oder – wenn dieser nicht erreichbar ist – an die nächste Klinik wenden. In der Regel hat jeder Tierarzt genug Erfahrung mit dieser Erkrankung, dass Ihnen im Notfall zu helfen.

1. Unterzucker

Eine Unterzuckerung ist immer ein Notfall und muss sofort behandelt werden!

Eine Unterzuckerung kann aus verschiedenen Gründen entstehen:
  • die Insulindosis war aus Versehen zu hoch
  • Ihr Tier hat für die gespritzte Dosis zu wenig gefressen (deshalb immer zuerst füttern, dann spritzen)
  • Ihr Tier hat nach dem Fressen/Spritzen erbrochen
  • Ihr Tier ist in Remission und die Dosis ist deswegen einfach zu hoch.

Symptome einer Unterzuckerung:
  • Starker Hunger
  • Unruhe, Schwäche, Zittern, Zucken bis hin zum Koma
  • Katzen schreien oft laut und erbärmlich  

Gegenmaßnahmen:
  • Fressen anbieten
  • Blutzuckerspiegel messen, wenn Homemonitoring betrieben wird
  • Honig ins Maul schmieren, wenn das Tier noch selbst lecken kann
  • In Wasser aufgelösten Zucker eingeben
  • Und auf jeden Fall in kurzen Abständen den Zuckerspiegel messen

Aber VORSICHT: Bei zu viel Zuckergabe können Sie den Zuckerspiegel auch zu hoch steigern, deshalb immer erst mal kleine Mengen und abwarten, ob die Symptome besser werden.

Auch wenn Sie die Unterzuckerung selbst gut und schnell in den Griff kriegen, sollten Sie Ihren Tierarzt aufsuchen, denn vielleicht müssen Sie die Insulindosis Ihres Tieres senken…

2. Ketose/Ketoazidose

Steht dem Körper permanent zu wenig Zucker als Energielieferant zur Verfügung, holt er sich seine Energie aus dem Ab- und Umbau von Eiweißen und Fetten. Dabei bleiben im Blut dann Säuren (Ketonkörper) zurück, die eigentlich auch Energieträger sind, aber in diesem Zustand vom Körper nicht mehr verwertet werden können. Sie werden im Urin ausgeschieden und ziehen wieder viel Wasser mit sich, so dass großer Durst auftritt. Ketone misst der Tierarzt im Urin oder besser im Blut. Es gibt auch Hometesting Geräte, die den Blutzucker und die Ketonkörper messen können. Allerdings tritt eine Ketose eher bei unbehandeltem Diabetes m. oder bei einer Insulinresistenz auf. Bei gut eingestellten Tieren ist dieser Vorfall zum Glück eher selten.

Symptome einer Ketose sind neben vermehrtem Durst:
  • Abgeschlagenheit
  • Fressunlust
  • Erbrechen
  • Fruchtiger, nach Aceton riechender Atem
  • Apathie

Sie sollten nie versuchen, eine Ketose selbst zu behandeln. Der Tierarzt weiß, wie hier adäquat geholfen werden kann. In der Regel wird das Tier mit Infusionen versorgt. Zudem wird ein besonders schnell wirksames Insulin gespritzt, damit dem Tier schnell wieder Zucker zur Verfügung steht. Die Blutübersäuerung kann durch Gabe bestimmter Neutralisierungslösungen per Infusion (Puffer) reguliert werden.

3. Blasen- und Nierenerkrankungen

Da der Körper den überschüssigen Zucker nicht verwerten kann, sammelt er sich im Blut. Die einzige Möglichkeit für den Körper, den Zucker loszuwerden, ist über die Niere. Normalerweise wird Zucker nicht über die Niere ausgeschieden, deshalb kann Zucker im Urin ein Hinweis auf eine Diabetes-Erkrankung sein. Um den Zucker aber durch die Niere bringen zu können, muss der Körper aber große Mengen Wasser mit ausscheiden. Daher kommen das übermäßige Trinken sowie das Absetzen großer Urinmengen. Auf Dauer schädigt das die Nieren.

Der zuckerhaltige Urin hat zudem einen negativen Einfluss aus den Harn-pH, also den natürlichen Säuregehalt des Urins. Der ist aber wichtig als Mittel gegen Bakterien. Deshalb erkranken Diabetes-Patienten häufig an Blasenentzündung.
Diabetes Behandlung in unserer Praxis

Wenn wir eine Diabetes Erkrankung bei Ihrem Tier diagnostizieren, werden wir zunächst ein ausführliches Gespräch mit Ihnen führen, bei dem wir die Folgen, die Behandlungsoptionen sowie die etwaigen Kosten besprechen werden.

Im weiteren Verlauf üben wir dann mit Ihnen das Hometesting am Ohr Ihres Tieres sowie das korrekte Setzen der Insulinspritze. Die Erstausstattung, also ein Hometesting Leih-Gerät, die ersten Spritzen, das Insulin sowie ein geeignetes Futter geben wir Ihnen mit. Darüber hinaus bekommen Sie von uns einen Behandlungsplan, der Ihnen die genaue Insulindosis, die Futtermenge sowie die Futter- und Spritzzeiten angibt. Ebenso bekommen Sie einen Plan mit den Zeiten, zu denen Sie den Zuckerspiegel Ihres Tieres messen sollten. In diesen können Sie dann die Werte eintragen.

Unser Hometesting Gerät können Sie behalten, bis Sie sich ein eigenes besorgt haben. Da jedes Gerät unterschiedlich misst, messen Sie zunächst einen Tag mit beiden Geräten parallel, damit Sie Ihr Gerät kennen lernen.

Bis Ihr Tier korrekt eingestellt ist, werden wir regelmäßig mit Ihnen telefonieren (etwa alle zwei Tage), die Werte Ihres Tieres, die Sie uns per Mail schicken können, mit Ihnen besprechen und die Insulindosis evtl. korrigieren. Darüber hinaus werden wir regelmäßige Untersuchungen in unserer Praxis durchführen - etwa, um den Ketonspiegel zu messen oder um die Nierenwerte zu messen.

Dann ist es soweit: Ihr Tier ist auf die richtige Insulindosis eingestellt. Nun kehrt Ruhe ein. Sie müssen den Zuckerwert weniger häufig messen und Besuche bei uns werden ebenfalls selten. Nur bei Besonderheiten oder zur Kontrolle der Organwerte Ihres Tieres sollten Sie uns jetzt noch besuchen.

Ein gut eingestelltes Tier kann genauso alt werden wie ein gesundes!
"Einen wahren Freund erkennt man nicht an seinen Worten, sondern an seinem Fell."
Hier finden Sie unseren Blog. Tierärzte schreiben über ihren Job - die reine Wahrheit. Viel Spaß beim Lesen.
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